D I E S U N D D A S U N D J E N E S
Herausgeschmeckt
Mit der Eröffnung eines Supermarktes werden Dörfer ja vollends
zu verödenden Strukturen. Hier wird nur noch gewohnt und für
das Erwerbsleben an anderen Orten sich ausgeruht. Angeblich sei
allerdings der Freizeitwert auch wegen der stets rasch zu
erreichenden Natur hoch. Nach meinen eigenen Beobachtungen
stimmt das allerdings nicht, da nur einige wenige der Ansässigen
in der komplett vom Menschen und seinen Maschinen überformten
Umgebung, Nordic-Walking-Stöcke hinter sich her schleifend,
überhaupt jemals anzutreffen sind.
Das Dorf selbst besteht aus zumeist Asphaltstraßen sowie alten
und neuen Gebäuden, von denen auch die älteren, aller früheren
Funktionen, als da wären Scheune, Stall oder Handwerksbetrieb
zu sein, entkleidet sowie auch noch etwas übertrieben hübsch
restauriert herumstehend, ohne den Geruch, die Stimmen und die
Geräusche bäuerlich genutzter Tiere nicht den Hauch von so
etwas wie Landleben vermitteln.
Zu beklagen wäre auch, dass gerade im ländlichen Raum der
Wille besonders ausgeprägt zu sein scheint, jeden Naturwuchs
zu unterbinden und der Wildnis, die den Primaten während ihrer
Evolution Jahrhunderttausende doch die einzige Heimat war,
keinen Raum mehr zu gönnen. Überall wird gemäht, gestutzt,
und zurückgeschnitten, was zugegebenermaßen teilweise
wegen der Sicherheit im Autoverkehr geschieht.
Naturferne wird auch zelebriert indem neu eingepflanzte
Gewächse niemals von den bekannten Kunststoffschildchen
befreit werden. Soll hiermit dem kommerziellen Teil der
Aktion gehuldigt, die Flora verniedlicht werden oder was?
Die Umgebungen solcher Unorte werden dann als Kulturlandschaft
ausgegeben. In Wahrheit sind es ziemlich wüste Gegenden,
in denen Natur- und Kulturgeschichte sich nur noch anhand
der Geologie, besagten, historischen Gebäuden oder auch
den früher aufgestellten Relikten der Frömmigkeit erahnen lassen.
Das Ganze ähnelt einer gro8en Werbeveranstaltung für
Baumschulen, Baumärkte, Handwerkerautomobile und
schönes Wetter. Nur die Kinder sind unbekümmert und fröhlich.
Der erwachsene Teil der Gemeinde grüßt sich auf der Straße
-auch aus fahrenden Autos heraus- wobei eine gewisse
Selbstironie wegen des beiderseitigen Gelangweiltseins
bei dieser Geste mitschwingen dürfte.
Na, immerhin. Aber man braucht sich einander nicht mehr.
Weder um in der Kirche gemeinsam um Schutz vor Blitzschlag
und Krankheit zu bitten, im Wirtshaus zu sitzen, noch um sich
mit bestimmtem Wissen, Geschick, Gerätschaften und Anderem
gegenseitig zu unterstützen.
Etliche der hier niedergelassenen Menschen suchen
ihre Gemeinschaftserlebnisse im reglementierten Tun der
zahlreichen Vereine zu finden. Selbst habe ich damit keine
guten Erfahrungen gemacht. Neben kontraproduktiver und
nicht satzungskonformer Überdemokratisierung hätte ich außer
Dünkelhaftigkeit und hirnrissiger Empfindelei von meinem Verein
(Kunst- und Kulturkreis Höri e.V.) nichts weiter zu vermelden.
In dieser ziemlich beziehungslosen Umgebung sind die Nächte
rühmliche Ausnahmen. In der Woche wird hier nämlich kurz
nach Mitternacht jegliche Straßenbeleuchtung abgeschaltet.
Wer das nicht bedacht hat, gerät ohne mitgeführte Lampe
in einer bedeckten Nacht außerhalb des engsten Ortskerns
ordentlich in Schwierigkeiten. Man sieht absolut nichts mehr
und muss fast buchstäblich nachhause kriechen.
Solches ist interessant, auch ein bisschen gefährlich und
man wird den bekannten Räumen enthoben auf einmal
jener archaischen Gefühle und Empfindungen gewahr, welche
im Erleben von Natur, von Wildnis aufzutauchen pflegen.
Sozusagen wurden wohl alte, nicht aktiv gewesene
mentale Möglichkeiten mit Updates versorgt und ein
Neustart im abgesicherten Modus exklusive einiger Funktionen
konnte stattfinden. Am Ende zu Hause angekommen bleibt noch
eine merkwürdig erholsame Erinnerung im Körper.
Dieses Phänomen gibt es auch auf Reisen, im
Wasser, oder vor einem unberührte Wildnis repräsentierenden
Ausblick. Meditative Beschäftigungen, wie z.B. Beten,
Meditation, auch existentielle Krisen, konzentriertes Arbeiten
oder Wandern sind weitere Anlässe, welche das
Zusammenspiel mit dem Weltall zu erfühlen ermöglichen.
Das alte, von der Evolution mitgegebene, intuitive Wissen
um den eigenen Ursprung aus einem unbekannten Geist
degenerierte im Laufe des Fortschritts von Technologie und
Zivilisation. In frühen Hochkulturen kam es zur Ausformung
diverser Religionen unterschiedlichen Inhalts, aber alle mit
Bezug zum Himmel, zu den Sternen und zu innerirdischen
Bereichen. Die Lebensläufte waren kompliziert geworden
und kaum jemand dürfte noch ein intuitives Verständnis
des Numinosen gehabt haben.
Unserer Tage könnte man infolge der Konfrontation mit den
digitalen Abbildungen unserer gesamten Welt mystisches Erleben
für wahrscheinlich halten. Das Internet ist aber ähnlich wie der
Blick in den Sternenhimmel zu fulminant, als dass sich eine
verwandtschaftliche Beziehung sofort assoziieren ließe.
Konstanz, die Stadt zum See im Juni 2020
Die allerfeinste Musik
Musikintervalle im Farbkreis
Es gibt mehr oder weniger subtile, visuelle als auch physische
und psychologische Effekte beim Experimentieren mit Farben.
Arbeitshypothese
Die Rezeption von Farbkonstellationen, welche durch Übertragung
der Intervalle einfacher Harmonien auf den 12teiligen Farbkreis
entstehen, wird dieselben seelisch/körperlichen Reaktionen
manifest werden lassen.
Beide Kunstformen unterscheiden sich
ja durch den Zeitfaktor. Während es eine bestimmte Weile
dauert, ein Stück Musik zu hören, übersetzt sich bei der
Betrachtung eines Bildes das Sichtbare vom ersten Moment an
in Gedanken, Empfindungen und Gefühle.
Die hier verwendeten Farben entsprechen im Farbkreis den